Was bedeutet Leadership 4.0?

Die Begriffe wurden im Kontext der Industrialisierung 4.0 und der Digitalisierung 4.0 übernommen. Beide sind Ergebnisse tiefgreifender struktureller Veränderungen innerhalb der Gesellschaft und der Arbeitswelt aufgrund des technischen Fortschritts, also Meta-Prozesse. Führungskräfte müssen demnach technologische Veränderungen, die sich in der Gesellschaft, der Lebenswelt jedes Einzelnen widerspiegeln, auf die Konsequenzen ihres Unternehmens überprüfen und entsprechend reagieren. Dies bedeutet, dass bisherige Führungsinstrumente wie Zielvereinbarungen, Jahresgespräche und Leistungsbeurteilungen in einer digitalen Welt nicht mehr so gut greifen. Alte Strukturen, die versuchen sich durch ein „krawattenfreies Image mit dem neuen ,Du‘ als Kodex“ zu modernisieren und neue Software reichen nicht aus, für die Anforderungen und Gewohnheiten der Mitarbeiter in einer digitalen Welt.

Die strategische Vorgehensweise der Zielvereinbarung durch Führungskräfte wird als Beispiel nochmals aufgegriffen. Die Zielvereinbarungen werden im Rahmen der bereits mehrfach erwähnten Mitarbeiterentwicklungs- und Zielvereinbarungsgespräche fixiert und immer wieder analysiert. Für die dynamischen Märkte in einer VUKA-Welt wird es jedoch immer schwerer, verbindliche langfristige, messbare Vereinbarungen zu treffen, die das Personal mit zunehmenden Unwägbarkeiten akzeptiert. Strategische Entscheidungen müssen korrigiert werden oder stellen sich als falsch heraus. Wie wird damit umgegangen oder wie sollte damit umgegangen werden? Wie wird das Team miteinbezogen, auf sich verändernde Märkte zu reagieren, ohne dass das Unternehmen sich selbst in Frage stellt?

Ein zweites Beispiel ist die Form der Kommunikation. Inzwischen ist es ganz normal, dass jeder mit jedem kommuniziert und kollaboriert. Wie passt der Umgang der Kommunikation in die Hierarchien eines Unternehmens?

In der Welt flacher Strukturen bedeutet Führung auch Führung ohne Weisungsbefugnis, also laterale Führung. Alte Strukturen werden zunehmend durch projektorientierte Ansätze ersetzt. Der Head oder Leader eines Projektteams ist auf die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen und Abteilungen angewiesen. Somit hängen die Verantwortung und Weisungsbefugnis nicht mehr an der Position innerhalb eines hierarchischen Systems, sondern an der Persönlichkeit, dem Fachwissen und den NetworkingQualitäten. Dafür bedarf es kommunikativer und sozialer Kompetenzen (Moskaliuk, 2019). Bestimmte Grundprinzipien sind Voraussetzung:

Die Expertenkompetenz, Führen durch Wissen.

Prinzip der Wertschätzung, Zuhören, Argumente ernst nehmen.

Prinzip der Gemeinsamkeit, das Entwickeln gemeinsamer Visionen.

Prinzip der Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit.

Das „agile Unternehmen“ könnte sich als neue Leitvorstellung herauskristallisieren. In Zusammenhang mit agiler Führung verändern sich Aufgaben und Verantwortungen (König & Volmer, 2012). Der Mensch mit seinen kommunikativen und kreativen Fähigkeiten wird verstärkt in den Fokus gerückt. Hierbei geht es um gemeinsame Visionen, um das Schaffen von Strukturen und Freiräumen, darum, Mitarbeiter zu unterstützen sowie zu coachen und sich dabei selbst weiterzuentwickeln. Die Rolle des Coachs und die Selbstwirkung sind zentrale Bezugspunkte (König & Volmer, 2012).

Leadership 4.0 bedeutet, das Führungsverhalten an die Rahmenbedingungen der digitalisierten Welt anzupassen. Es umfasst drei Rollen. Erstens: als Manager, der die klaren und messbaren Ziele im Auge hat und entsprechende Methoden nutzt. Zweitens: Digital Leadership beinhaltet einen Fahrplan, eine Vision. Digitale Strategien und Innovationen sind in den Unternehmen zu implementieren. Innovative Geschäftsmodelle und Technologien müssen angedacht werden. Der Leader gibt dem Manager und Coach die übergeordneten Ziele vor.

Als Coach ist die Führungskraft in der beratenden und begleitenden Rolle tätig. Es geht mehr um den Prozess als um das Ergebnis. Kommunikation steht im Mittelpunkt (Moskaliuk, 2019). Zukunftsfähige neue Geschäftsmodelle brauchen Mitarbeiter und Experten gleichermaßen. Es muss nicht nur in Technologien investiert werden, sondern auch in die individuellen Fähigkeiten des Personals. Es bedarf einer massiven Qualifizierung (Up- und Re-Skilling) in soziale und technische Kompetenzen der Mitarbeiter und die Ausbildung von Digital Leadern, in deren Strategien und Methoden.

Die Fähigkeiten der Führungskräfte der Zukunft sind:

  • Entrepreneur und Coach ihrer in Teams organisierten Mitarbeiter sein
  • Eine gute Selbstreflexion besitzen und sich gut vermarkten können
  • Gute Selbstorganisation
  • Ein hohes Maß an Konnektivität und Kollaborationsfähigkeit
  • Digitale Geschäftsmodelle kennen
  • Selbstlernkompetenz (Ausdauer, Frustrationstoleranz)
  • Ein hohes Maß an Eigenmotivation (Initiative, Begeisterungsfähigkeit)
  • Selbstfürsorge (Work-Life-Balance, Stressbewältigungskompetenz)
  • Kreativität

Die Balance zwischen den drei Rollen zu finden, stellt die Kunst von Digital Leadership dar.

Die Dynamik der digitalen Arbeitswelt befindet sich in einem fortschreitenden Innovationsprozess. Die vertrauten Pfade der Normalbiografien wandeln sich zu individualisierten Berufsbiografien. Der Wandel von der Industriegesellschaft hin zur Risikogesellschaft trägt ebenfalls zu immer mehr Individualisierung bei.

Gelingt die Transformation, bestehen Chancen für ein autonomeres, selbstverantwortlicheres Arbeiten. Dies setzt jedoch eine Änderung der Arbeitsorganisation und Innovationsförderung der jetzigen Führungs- und Organisationskultur voraus. Neue Möglichkeiten der Vereinbarung von Beruf und Familie und eine ausgeglichene Work-Life-Balance sind realistische Hoffnungen, allerdings muss der Umgang noch erlernt werden. („BMAS – Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Weißbuch: Arbeiten 4.0‘ (2016)“, n.d.)

Aus Sicht der Autorin zeigt sich, dass Kommunikation und Kreativität noch nie so im Fokus standen wie jetzt. Wertschätzende, hierarchiefreie Kommunikation, ein humanistisches Menschenbild und Kreativität sind die Ankerpunkte. Nicht nur die Organisation, sondern auch die Kultur eines Unternehmens sollten sich an die lebensweltlichen Veränderungen anpassen.

Systemisches Coaching hat in der digitalen Arbeitswelt der Zukunft einen besonderen Stellenwert, um sich den neuen Herausforderungen angemessen stellen zu können. Mitarbeiter, die mehr Eigenverantwortung und Selbstorganisation einfordern sowie veränderte Strukturen, brauchen eine Führungskraft, die Verständnis für ihre Mitarbeiter aufbringt, einen Trainer und Coach, der sie bei konstruktivistischen Handlungsweisen unterstützt und mit ihnen auf Augenhöhe arbeitet.

„Der Glaube, es gebe nur eine Wirklichkeit, ist die gefährlichste Selbsttäuschung.“

 – Watzlawick, P.

 

 

 

          

Eine Antwort zu „Leadership 4.0“

  1. Elke Siebert

    Liebe Martina, dieser Artikel zeigt, dass Dein Studium Wirkung zeigt und mich, die mit diesem Thema nicht vertraut ist, herausfordert. Ich bin gespannt, was die berufliche Zukunft für Dich bereit hält. Ich wünsche Dir dafür alles Gute!!!
    Liebe Grüße
    Elke

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